Städte besitzen etwa 2- bis 3-mal so viele Fassadenflächen wie bebaute Grundfläche. Somit stellen Fassaden gerade in dicht bebauten Stadtquartieren ein enormes - bis jetzt nur gering genutztes - Potenzial als Freiflächen für Pflanzen dar. Egal ob als bodengebundene oder als wandgebundene Begrünung ausgeführt, tragen Pflanzen in der Vertikalen positiv zur Verbesserung des städtischen Mikroklimas bei.
In der untenstehenden Grafik wird die Auswirkung der Verdunstung der Pflanze und des feuchten Substrates - der sogenannten Evapotranspiration - einer Grünfassade (grüner Graf) im Vergleich zu einer Putzfassade (roter Graf) auf die umgebende Luft gezeigt. Es wird klar ersichtlich, dass bereits eine nur 4 m² große Wand deutlich zur Erhöhung der Luftfeuchte beiträgt.
Die erhöhte Luftfeuchtigkeit hat eine Verbesserung der Behaglichkeit für die StadtbewohnerInnen zur Folge. Gleichzeitig sinkt auch die Umgebungstemperatur, da der Verdunstungsprozess der Umgebung Energie, also Wärme, entzieht. Die Belastung des Körpers durch Hitze sinkt und damit steigt der sogenannte thermische Komfort.
Insgesamt können Fassadenbegrünungen daher unser Wohlbefinden im Außenraum deutlich verbessern.
Luftfeuchtigkeit (LF) an einer Grünfassade und an einer Putzfassade in Relation zu den von einer Klimastation aufgezeichneten Werten der Lufttemperatur und Luftfeuchte
Die Anordnung und die Dichte von Gebäuden, Verkehrsflächen und Freiflächen sind ausschlaggebend für die Entstehung von Hitzeinseln. Bebauungsstrukturen in heißen Klimazonen sind meist durch eng aneinander gefügte Gebäudekomplexen mit schmalen, zum Teil überdachten Gassen gekennzeichnet. Dadurch beschatten sich die Gebäude gegenseitig sowie eine Beschattung des Straßenfreiraums wird möglich.
Wien als gewachsene Großstadt weist vielfältige Bebauungsstrukturen auf: In dicht verbauten Gebieten wie beispielsweise um die Pulveturmgasse (1090) beschatten die Gebäude mit Innenhöfen die Frei- und Verkehrsflächen. Andere locker bebaute Gebiete wie beispielsweise in der Nähe der Adalbert Stifter-Straße (1200) mit weit auseinander platzierten Gebäudestrukturen und dazwischen liegenden Rasenflächen haben nur geringes Beschattungspotenzial.
Historisch gewachsene dichte Bebauungsstruktur: Pulverturmgasse im 9. Wiener Gemeindebezirk (Quelle: Stadt Wien - ViennaGIS)
Im Rahmen des Forschungsprojektes GrünStadtKlima wurden ausgewählte Stadtquartiere für die Simulation unterschiedlichster klimatischer Parameter herangezogen. Unter anderem wird auch die „mittlere Strahlungs-temperatur“ untersucht welche ein räumlich stark differenzierter Faktor für thermischen Komfort ist. Dieser Wert berechnet sich aus allen lang- und kurzwelligen Strahlungsströmen, die auf einen Punkt wirken. Instinktiv wechseln Menschen z.B. im Hochsommer auf die "schattige Straßenseite", welche eine viel geringere mittlere Strahlungstemperatur hat als die sonnige. Berechnet wurde die Auswirkung von Begrünungs und Entsiegelungsvarianten Berechnet wurde die Auswirkung von Begrünungs- und Entsiegelungsszenarien auf diese Kennwerte. Unterschieden wird in eine realitätsnahe Minimalvariante und eine Maximalvariante, welche die größte Wirksamkeit verspricht.
Die Berechnung für das dicht bebaute Gebiet um die Pulverturngasse zeigt eine Abkühlung der mittleren Strahlungstemperatur nahe den Fassaden von bis zu 20°C.
Im Testgebiet Adalbert-Stifter-Straße wirkt die angenommene südseitige Fassadenbegrünung und bringt eine Abkühlung der mittleren Strahlungstemperatur direkt vor der Fassade um bis zu 15 bis 30 °C.
Pulverturmgasse, Statusquo. 1980 - 2010, PMV um 15h in Bodennähe
Pulverturmgasse, Maximal Begrünung. 2050 - 2080, PMV um 15h in Bodennähe
Für ausgewählte Stadtquartiere in Wien wurde der thermische Komfort der IST-Situation und einer mit GrünStadtKlima Bauweisen ausgestatteten Variante simuliert. Für den Vergleich wurde das Klimaszenario 2050 bis 2080 ausgewählt, um zu zeigen, wie effektiv einzelne Maßnahmen (Dach-, Fassadenbegrünung, versickerungsfähige Wege), der zu erwartenden Überhitzung entgegenwirken können. Als Kenngröße für den thermischen Komfort wird der PMV-Wert (Predicted Mean Vote) herangezogen. In diesen Wert fliessen alle klimatischen Größen ein, die für das menschliche Temperaturempfinden, relevant sind (wie beispielsweise Lufttemperatur, Oberflächentemperatur, etc.). Ein Wert von 4 wird beispielsweise als sehr heiß empfunden, ein Wert von 2 bedeutet ein merkbares Wärmeempfinden. Negative Werte beschreiben bereits als kalt empfundene Bereiche.
Gründächer zeigen die geringste Auswirkung auf den thermischen Komfort in Bodennähe. Jedoch ist auf Dachniveau eine deutliche Abkühlung erkennbar. Eine Reduktion des PMV-Werts von 3-„heiß“ auf 1-„leicht warm“ konnte berechnet werden. Grünfassaden wirken sich direkt auf ihre unmittelbare Umgebung aus. Besonders an den sonnenexponierten Fassaden ist die Wirkung der Begrünung erkennbar.
Dort konnte eine Reduktion des PMV-Werts von über 4,5-„sehr heiß“ auf 3- „heiß“ simuliert werden. Versickerungsfähige Oberflächenbefestigungen wirken auch kühlend.
Eine PMV-Wert Reduktion von über 4,5 auf 4 in den besonnten bzw. 2,5 auf 2 in den beschatteten Flächen konnte berechnet werden. Werden alle Maßnahmen gemeinsam verwendet (Gründächer, Grünfassaden und versickerungsfähige, atmungsaktive Oberflächenbefestigungen), verstärkt sich die Gesamtwirkung. So wird die unmittelbare Wirkung nahe der besonnten Fassaden von über 4,5 auf 2 möglich, sowie die Kühlung der Verkehrsflächen von 2,5 auf 1,5.
Fit für die Zukunft
Fazit: Durch Begrünung und Entsiegelung kann die fühlbare Wärmebelastung deutlich reduziert oder ganz kompensiert werden!